Installation als Diagramm
24 Digitaldrucke von Fotodokumentationen (nummeriert)
16 Digitaldrucke von Satellitenaufnahmen (nummeriert)
4 Banner mit den Titeln aller Reisen aus der Stadt (Deutsch / Russisch)
24 Texte mit Aktionsbeschreibungen in Karteikasten (Deutsch / Russisch, nummeriert)
2 Videos, 1 Webpräsentation (https://conceptualism.letov.ru)
Die Performances der „Kollektiven Aktionen“ spielten eine entscheidende Rolle bei der Herausbildung eines alternativen Kommunikationsraums in der russisch-sowjetischen Kultur des späten Kommunismus. Sie dienten der Selbstorganisation einer subkulturellen Kunstszene jenseits des staatlichen Kulturbetriebs, zu dem der Zugang durch eine strikte Zensur reguliert war.
Im Spannungsverhältnis zur Machtrhetorik der offiziellen politischen Rituale, die sich im symbolisch aufgeladenen Architekturraum der Metropole Moskau vollzogen, entfalten die „Kollektiven Aktionen“ eine ironische Wirkung. Verbindendes Sujet der seit 1976 stattfindenden „Reisen aus der Stadt“ ist die gemeinsame Fahrt einer Gruppe von Teilnehmern in die ländliche Umgebung Moskaus – meistens auf ein leeres, weites Feld, d.h. aus dem mit Zeichen gesättigten Raum der Metropole in einen „leeren“ Naturraum. Häufig bildet ein unberührtes Schneefeld die Bühne für minimale Handlungen, die elementare raum-zeitliche Strukturen der Wahrnehmung thematisieren und durch ihre Rätselhaftigkeit unterschiedliche Interpretationen provozieren. Das weiße Feld, das in der suprematistischen Tradition Kazimir Malevičs, der weißen Bilder Il’ja Kabakovs oder Martin Heideggers „Lichtung“ steht, wird zum Demonstrationsraum für die Akteure und zum Raum der Wahrnehmung und Reflexion für die Teilnehmer.
Die Auseinandersetzung mit der umgebenden ideologischen Kultur von Texten, Manifesten und Losungen erschöpft sich bei den „Kollektiven Aktionen“ nicht in der unmittelbaren Wahrnehmung einer Situation. Die situative „Erlebnis“-Geste kommt vielmehr einem neuen Impuls in einer unendlichen interpretativen Spirale gleich, in der sich Situation und Dokumentation immer wieder wechselseitig auseinander hervorbringen.
Die „Installation als Diagramm“ ermöglicht es den Ausstellungsbesuchern, die vielfältigen Dokumentationsmaterialien (Beschreibungstexte, Erzählungen, theoretische Kommentare, Diskussionen, Zeichnungen, Fotografien, Videos) als Beziehungsgeflecht eingehender zu studieren, und macht sie so zu Teilnehmern im Prozess einer Rekonstruktion der Aktionsereignisse.
Durch die Eröffnung einer „planetarischen“ Perspektive über neuere Satellitenbilder, auf denen die Orte markiert sind, an denen in über dreißig Jahren „Kollektive Aktionen“ stattgefunden haben, wird die künstlerische Reflexion von Ideologie und Macht im späten Kommunismus auf die zeitgenössischen Prozesse der Globalisierung ausgedehnt. (Sabine Hänsgen)