Kollektive Aktionen: Reisen aus der Stadt

Vierter Band

DIE WINDE

40. DIE WINDE

An das Rohr einer an einem Waldrand in die Erde eingegrabenen Metallwinde waren sechs Angelleinen gebunden. Von der Winde aus wurden die Leinen in Form eines Fächers über dem Feld aufgespannt und (auf verschiedener Höhe) an Bäumen auf der entgegengesetzten Seite des Feldes festgemacht. Die Länge der Leinen betrug zwischen 700 und 400 Metern. Nachdem sich die Gruppe der Zuschauer an der Winde versammelt hatte, wurden die Partituren des bevorstehenden Ereignisses ausgeteilt (siehe die Beschreibung unten). Danach begann N. Panitkov, die Winde zu drehen. Er wickelte die Leinen auf das Rohr auf und nahm dabei den Klang der sich drehenden Winde auf Tonband auf. Die Leinen wurden allmählich auf das Rohr gewickelt, stramm gezogen und zerrissen schließlich. Die letzte Leine riss eine Stunde, nachdem sich die Winde zu drehen begonnen hatte.
Die Handlung fing bei gewöhnlichem Herbstwetter an, das sich jedoch rasch änderte: Es schneite in großen Flocken, Wind kam auf, und es setzte starker Schneefall ein. Gegen Mitte der Aktion war das ganze Feld mit dichtem Nebel bedeckt, und der Himmel wurde dunkel. Zum Ende der Aktion hörte der Schneefall auf, der Nebel verschwand, und die Sonne zeigte sich. Das ganze Feld war mit Schnee bedeckt. Auf diese Weise entsprach die meteorologische Seite der Aktion der Partitur „Winde“ (der Wechselwirkung von Yin-Yang, Himmel-Erde, Dunkel-Licht).
Beschreibung der Partitur: Die Partitur bestand aus zwei Blättern schwarzen Chinapapiers, die in der Art eines aufgeschlagenen Buches zusammengeklebt waren. Auf dem Umschlag befand sich ein Etikett mit dem englischen Wort „Performance“ (Ausführung). Auf der linke Seite waren schematisch in Form des Hexagramms KEIN (das Schöpferische) sechs noch nicht durchgerissene Leinen dargestellt. Auf der rechten Seite waren dieselben Leinen zerrissen in Form des Hexagramms KUN (das Empfangende) dargestellt.
Während der Aktion zerrissen die Leinen in einer Abfolge, die den Wechsel folgender Hexagramme darstellte: Zuerst zerriss die vierte Leine – auf dem Feld entstand das Hexagramm SIAU GO (des Kleinen Übergewicht), danach die zweite Leine (das Hexagramm GIA JEN (die Sippe),
die erste (DSIEN – die Entwicklung),
die dritte (GUAN – die Betrachtung),
die sechste (BI – das Zusammenhalten)
und die fünfte (KUN das Empfangende).

Gebiet Moskau, Savelovsker Bahnlinie, ein Feld bei dem Dorf Kievy Gorki
27. 10. 1985

N. Panitkov, A. Monastyrskij, E. Elagina, I. Makarevič, G. Kizeval’ter, V. Salnikov

übersetzt von Günter Hirt & Sascha Wonders

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